Dies zu ändern haben sich unter anderem die Brauerei Kemker aus Alverskirchen sowie die Gruthaus-Brauerei aus Münster auf die Fahne geschrieben. Um dem Grutbier wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken gründeten sie vor einiger Zeit das Deutsche Institut für Grutkultur und begehen gemeinsam den Internationalen Tag des Grutbieres, welcher weltweit am 01. Februar gefeiert wird.
Aber was ist überhaupt ein Grutbier? Vereinfacht könnte man von einem Kräuterbier reden, also ein Bier, welchem im Laufe des Brauprozesses Kräuter zugefügt werden. Letztendlich gehört aber weitaus mehr dazu. Zu früheren Zeiten, wir gehen mal einige Jahrhunderte zurück, wurde auf der nördlichen Halbkugel von der Nordsee bis zur Ostsee überall Grutbier gebraut. Hopfen war zwar damals schon bekannt, nicht aber seine konservierende Wirkung im Bier. Daher wurde damals eine Kräutermischung, die Grut, für Bier verwendet. In Westfalen hat sich die Tradition des Grutbieres längere Zeit erhalten, sodass die Bezeichnungen „Westfälisches Grutbier“ oder auch „Münsterländer Grutbier“ hierzulande noch ein fester Begriff sind. In Münster hatte zunächst die Kirche das Monopol auf die Grut, später die Stadt. Die Einnahmen durch die Grut waren so hoch, dass sie bis zu Zweidrittel des Stadthaushaltes ausmachten. Nichtsdestotrotz geriet das Grutbier dennoch mit dem Aufkommen des Hopfenbieres allmählich in Vergessenheit.
Wer ein möglichst authentisches Grutbier brauen möchte sollte sich also mit den damals verfügbaren Zutaten auseinandersetzten. Und damit fängt es schon an, die damaligen Bezeichnungen müssen in die heutige Sprache übersetzt werden. Einige Bezeichnungen sind klar, andere wiederum nicht. Hier kommt dann Philipp Overberg von der Gruthaus-Brauerei ins Spiel. Seine jahrelange Forschungs- und Recherchearbeit findet sich im Bier wieder. Der niederdeutschen Sprache mächtig liest er sich durch die mittelalterlichen Rechnungsbücher der Stadt Münster auf der Suche nach Zutaten welche vielleicht zum Brauen verwendet wurden. Zusätzlich arbeitet er mit ArchäobotanikerInnen zusammen, welche den Inhalt mittelalterlicher Latrinen in Münster erforschen und dabei Hinweise auf die Braukultur der Stadt fanden.
Überlieferte Zutaten sind Porsen, Sermentangen und Beckerler. Porsen ist der Gagelstrauch, welcher nachweislich im Münsterland wuchs und noch heute im Botanischen Garten der Stadt Münster zu bewundern ist. Sermentangen ist Kümmel. Hier gibt es unterschiedliche Interpretationen um welchen Kümmel es sich genau handelt. Es könnte sich gemäß der Herausgeberin der Grutsamtsakten um Berg-Laserkraut handeln, Laserpitium Piler. Laut Philipp Overbeck aber auch um Carvum Carvi, welcher bei Ausgrabungen mit weiteren mutmaßlichen Brauzutaten in Münster gefunden wurde. Aber was ist Beckerler? Es könnte Wacholder (beckholder) sein, aber auch Lorbeer (bacca lauri) oder die Wilde Heidelbeere (Beckberen).
Weiter geht es mit dem vermälzten Getreide. Die heutzutage gängigen Sorten haben nur wenig mit dem zu tun was in früherer Zeit verbraut wurde. Hier kommt dann Jan Kemker ins Spiel. Auf seinen Feldern baut er unter anderem Goldhafer und auch die Schwarze Pfauengerste an. Beides historische Getreidesorten, welche heutzutage nur schwierig anzutreffen sind. Der Goldhafer z.B. wurde bei der aktuellen aber noch im Gärtank befindlichen Dubbel Porse verwendet.
Das aktelle DubbelPorse ist unter anderem mit Chevalliergerste und Schwarzhafer aus regionalem Anbau eingebraut.
Nun bleibt noch die Hefe übrig, denn diese macht aus der Würze das Grutbier. Auch hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Hefen von damals gibt es nicht mehr, die heutzutage verwendeten Hefen haben mit den früheren Hefen nicht viel gemein. Für das Dubbel Porse wird daher die hauseigene Hefekultur der Brauerei Kemker verwendet, welche aus Saccharomyces, Brettanomyces und Milchsäurebakterien besteht.
Genug geschwätzt, schauen wir nun mal ins Glas und lassen uns das Grutbier schmecken: beim Einschenken entwickelt sich eine kräftige sowie üppige Schaumkrone, welche jedoch zusehends bis auf einen kleinen Rest zusammenfällt. Unser Blick fällt nun auf ein trübes, bernsteinfarbenes Bier.
Halten wir das Bier an die Nase zeigen sich deutliche kräuterige Aromen. Was will man bei einem Grutbier auch anderes erwarten? Der Wacholder sticht vielleicht am Stärksten hervor, untermalt von einer sanft an der Nase kribbelnden Säure.
Und im Gaumen? Eine tolle kräuterige Aromenvielfalt entfaltet sich hier. Ein paar Früchte gesellen sich dazu, eine passende Säure verleiht dem Grutbier eine durchgehend angenehme Spritzigkeit. Die Brettanomyces sorgt mit sanfter Pferdedecke für den letzten Kick.
Auch der Malzkörper zeigt sich hier von seiner besonderen Seite und versteckt sich nicht hinter den Kräutern, denn irgendwo müssen die 6,5 % Alkohol ja herkommen. Interessant ist das Aroma vom Chevalliermalz und ebenso vom Schwarzhafer, dies begegnet einem bedauerlicherweise nicht alle Tage.
Lust auf Grutbier bekommen? Dann auf nach Münster, am 15.02.2020 findet dort ein tolles Grutbierfestival statt. Neben Vorträgen zur Geschichte des Grutbieres in Europa gibt es natürlich auch allerhand zu probieren. Brauereien und Hobbybrauer aus dem In- und Ausland laden zur Verkostung ein!
Hier geht es zur Veranstaltung: klick